Thursday, October 22, 2009

2009.10.44

Version at BMCR home site
Markus Handy, Die Severer und das Heer. Studien zur Alten Geschichte Bd. 10. Berlin: Verlag Antike, 2009. Pp. 283. ISBN 9783938032251. €49.90.
Reviewed by Jochen Lückoff, Bad Liebenwerda

Markus Handy, Projektmitarbeiter an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz, hat die überarbeitete Fassung seiner im Jahr 2006 erschienenen Dissertation mit dem Titel "Die Severer und das Heer" in der wissenschaftlichen Reihe Studien zur Alten Geschichte Bd. 10 vorgelegt.

Als Einführung in die Themenstellung erläutert Handy die Methodik und die einzelnen Themenschwerpunkte, wobei er in einem kurzen Abriss im Rahmen der Literaturdiskussion die literarischen, epigraphischen und numismatischen Quellen vorstellt und auf die Problematik der Authentizität und Objektivität der literarischen Quellen des dritten und vierten Jahrhunderts verweist.

Die Untersuchung ist übersichtlich gegliedert in 4 Kapitel jeweils nach den Themata "Der Kaiser als Soldat", "Das Heer als Machtfaktor", "Heerespolitik" sowie "Die Severer und das Heer im Spiegel der Münzen". Hierbei werden chronologisch die Kaiser der severischen Dynastie, nämlich der Dynastiegründer Septimius Severus (193-211), Caracalla (211-217), Macrinus (217-218), Elagabal (218-222) und Severus Alexander (222-235), mit dessen gewaltsamem Tode das Geschlecht sein Ende findet, entsprechend der biographischen und prosopographischen Hintergründe ihres militärischen Wirkens analysiert und interpretiert.

Hierbei erwähnenswert ist, dass mit dem am 11.04.146 in Leptis Magna geborenen Septimius Severus erstmalig ein Afrikaner den römischen Thron der Caesaren erklommen hat.

Überraschend ist, dass Severus bei Antritt seiner Herrschaft zwar den einflussreichen Posten eines Statthalters der Provinz Pannonia Superior, in der 3 Legionen stationiert waren, innehatte, jedoch bis zu diesem Zeitpunkt auf keinerlei Referenzen als Militär zurückblicken konnte. Dieses Manko wurde vom Kaiser durch die Konsultation zahlreicher militärischer Würdenträger aus der unmittelbaren Verwandtschaft kompensiert. Zu diesem militärischen Kompetenzteam gehörte der Prätorianerpräfekt Plautianus unter Kaiser Severus. Symptomatisch für den Herrschaftsstil der Severer war die unmittelbare Einflussnahme naher Verwandter auf das Kaiserhaus in militärischen Angelegenheiten.

Handy kommt eo ipso zu der kontroversen und quasi apodiktischen Schlussfolgerung, dass die severischen Kaiser nicht bereits der Ära der Soldatenkaiser zuzuordnen seien, da die Kriegsführung ausschliesslich in den Händen der Generäle gelegen habe. Selbst der den Soldaten so schmeichelnde Kaiser Caracalla habe bei wichtigen militärischen Konflikten stets die Kommandeure konsultiert, der in militärischen Fragen ganz unbedarfte Severus Alexander habe schliesslich seinen Affront gegenüber allem Militärischen mit dem Leben bezahlt. Dieses Argument ist insofern unhaltbar, als dass beispielsweise ein Kaiser Caracalla schon ganz den Habitus und die Attitüde eines Soldatenkaisers bewusst in Auftreten und Handeln repräsentierte.

Aussenpolitische Massnahmen der Severer-Dynastie erschöpfen sich in der Sicherung und Bewahrung der römischen Grenzen, allerdings sind die Legionen immer öfter dazu gezwungen, durch militärische Präventivschläge gegen feindliche Truppenansammlungen im Hinterland vorzugehen. Dies wird evident bei dem Germanenzug Caracallas im Jahre 213 gegen die erstmalig in der Historiographie erwähnten germanischen Alamannen am obergermanischen Limes.

Das für die Römer in späterer Zeit sich abzeichnende Dilemma eines Zweifrontenkrieges wird in der Severer-Zeit bereits offenkundig, als nämlich der im Osten bei einem Feldzug gegen die Parther weilende Severus Alexander von einem Angriff der Alamannen auf den obergermanischen Limes im Jahre 233 überrascht wird. Die Feststellung der Eigendynamik dieses für die römische Verteidigungspolitik so gravierenden Problems und die fatalen Konsequenzen für eine effiziente Abwehr der simultan im Westen und im Osten die römischen Grenzen bedrohenden Germanen und Parther vor, während und nach der Severer-Epoche lässt Handy bedauerlicher Weise unerwähnt.

Die Funktion des Heeres bei einem Herrscherwechsel war insofern von Bedeutung, als dass Septimius Severus und dessen Sohn Caracalla minutiös die eigene Inthronisation bei Legionskommandeuren und Statthaltern vorbereiteten. Die Usurpationen des Macrinus, Elagabal und Severus Alexander hatten ihre Ursache hingegen in spontanen Entscheidungen und Erhebungen einzelner Truppenteile, es fehlen Indizien für die Bildung eines engen politischen und militärischen Beraterstabes im Vorfeld der Machtübernahme.

Analog dazu ist die Funktion des Heeres als Machtfaktor bei den einzelnen Severer-Kaisern zu bewerten. Bei Septimius Severus und Caracalla fungierten die Heere als Herrschaftssicherung, während bei den Kaisern Macrinus, Elagabal und Severus Alexander es meist exakt die Truppenverbände gewesen sind, die sowohl zur Usurpation als auch zum Sturz der genannten imperatorischen Insurgenten beitrugen. Macrinus, der als Prätorianerpräfekt und Jurist in militärischen Dingen geradezu ein Laie war, Elagabal, der als Kindkaiser keine militärischen Meriten besitzen konnte, und der per se unmilitärische Severus Alexander, ein jüngerer Cousin Elagabals, waren notwendiger Weise auf einen qualifizierten militärischen Mitarbeiterstab angewiesen. Unter letzterem konnten sogar Senatoren mit ausschliesslich ziviler Laufbahn Truppenbefehle erhalten. Das signifikante Desinteresse dieser drei severischen Kaiser an militärischen Angelegenheiten zerstörte deren Reputation bei den Soldaten und führte ursächlich zu deren Untergang.

Die Heerespolitik der Severer trug den Erfordernissen Rechnung, mit mobilen Truppeneinheiten auf spontane Grenzverletzungen eindringender Feinde zu reagieren, indem neu formierte Kavallerieeinheiten im Hinterland des obergermanischen Limes einfallende Germanen abfingen. Als zusätzliche Komponente einer verstärkten Grenzverteidigung traten auf römischer Seite nationale numeri in Erscheinung, die als reichsfremde Aufgebote in kleinen, leichtbewaffneten und mobilen Truppenkörpern als Eingreifreserve dem ständig zunehmenden germanischen Bedrohungsszenario am Limes und an der Donaufront Rechnung trugen. Insbesondere durch eine ausgeklügelte Logistik im rückwärtigen Grenzraum wurden einzelne Bereiche des Militärwesens professionalisiert, wobei die diffizile Verteidigung einer statischen Grenze wie der des Limes durch die Aufstellung von exploratores- und frumentarii-Einheiten unter den Severern effektiver in taktischer Hinsicht als Grenzvorfeldsicherung gestaltet werden konnte.

In severischer Zeit wurde deutlich, dass der Senatoren- oder Ritterrang als conditio sine qua non für den Aufstieg in die oberste militärische Führungsebene in zunehmendem Masse an Bedeutung und Gültigkeit verloren hatte. Eine Karriere als Offizier war sukzessive denjenigen vorbehalten, die das Militärhandwerk von Kindesbeinen an erlernt hatten. Tendenziös rekrutierte sich das Militärpersonal vermehrt aus den Randregionen des Reiches, die sich der Repression der anstürmenden Germanen an Rhein und Donau zu erwehren hatten. Zahlreiche den Legionären zugebilligte Privilegien, wie die der Anhebung des stipendium oder die des Entlassungsgeldes, liessen den Militärdienst attraktiver werden. Eine eigens eingeführte Sondersteuer, die annona militaris, verbesserte Ernährung und Verproviantierung der Soldaten. Die rechtliche Umwandlung der im Umfeld von Legionslagern entstandenen canabae in municipia beseitigte die Rechtlosigkeit der lagernahen Siedlungen. Die Privilegierung der Armee leistete im Verlauf des ersten Drittels des dritten Jahrhunderts in limesnahen Gebieten der Entwicklung einer Militärgesellschaft Vorschub, ein Prozess, der auch in den Legenden der in dieser Epoche geschlagenen Münzen zum Ausdruck gebracht wird.

Handy unterlässt unverständlicher Weise bezüglich der historischen Kontextualisierung darauf hinzuweisen, dass die Severerzeit quasi als Ouvertüre der Ära der Soldatenkaiserzeit fungiert, da eine Militarisierung aller Lebensbereiche der Gesellschaft, die eo ipso auch eine Rebellion bewaffneter Einheiten gegen den amtierenden Kaiser in den Grenzgebieten implizierte, die Epoche der Soldatenkaiserzeit antizipiert hat. Überhaupt leidet die Untersuchung zum militärischen Aspekt der Severerzeit an der losgelösten Betrachtungsweise in Relation zur Gesamtära der römischen Kaiserzeit, denn ohne das Vorverständnis der Antoninenzeit oder der Soldatenkaiserära ist das Intermezzo der dynastischen Herrschaft der Severer in ihrer Tiefenwirkung nicht zu verstehen. Das Bild der einzelnen Kaiser bleibt darüber hinaus im Rahmen der Gesamtschau der mit grosser Akribie zusammengetragenen Fakten und Details des Militärwesens zu den Severerkaisern auffallend diffus und nebulös.

Zweifelsohne besteht eine Stärke der wissenschaftlichen Untersuchung darin, im Rahmen der literarischen Quellensicht sowie der epigraphischen, numismatischen und prosopographischen Auswertung des Quellenmaterials zur Severerzeit Althistorikern und Altertumswissenschaftlern eine verlässliche Arbeitsgrundlage zu weiterer Forschungsarbeit zu bieten. In Anbetracht einer im Jahre 2009 redigierten Studie hätte die sicherlich nicht immer von interpretatorischen Kontroversen freie Monographie zu Septimius Severus von Jörg Spielvogel (2006) zumindest in der Bibliographie Ewähnung finden müssen.

Über weite Passagen bietet die Untersuchung allerdings einen Aufguss des bereits in der wissenschaftlichen Forschung zur Severerzeit Gesagten. Innovative Ansätze zu einer Neubewertung der Epoche der Severer vermag die Forschungsarbeit dem Leser nicht zu vermitteln, so dass die Ausführungen von Anthony R. Birley, The African Emperor. Septimius Severus (London, 2. Aufl. 1988), auch in Zukunft das die für diesen Abschnitt der römischen Kaiserzeit wissenschaftlich Massstäbe setzende Standardwerk bleiben wird.

No comments:

Post a Comment

Note: Only a member of this blog may post a comment.