Friday, November 5, 2010

2010.11.10

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Joanna S. Smith, Art and Society in Cyprus from the Bronze Age into the Iron Age. Oxford/New York: Cambridge University Press, 2009. Pp. xviii, 397. ISBN 9780521513678. $90.00.

Reviewed by Kathrin Kleibl, Innsbruck

Table of Contents

Dramatische sozial-politische Umbrüche prägten im östlichen Mittelmeerraum die Zeitspanne vom Ende der Späten Bronzezeit bis zur Eisenzeit (etwa 1300-700 v. Chr.). Sie schwächten die Macht- und Handelszentren oder brachten sie gar zum Einsturz. Die Gründe für diesen Zerfall sind nach wie vor unklar, ob plündernde ‚Seevölker', Seuchen, Naturkatastrophen oder einen allgemeine Wirtschaftskrise — jedenfalls rutschten die ehemaligen Machtzentren in die sogenannten ‚Dunklen Jahrhunderte' ab. In diesen gut 500 Jahren erkenne man — einigen Altertumswissenschaftlern zufolge — keine nennenswerten kulturellen Neuerungen und Entwicklungen. Dass diese Annahme jedoch heute so nicht mehr haltbar ist, führt die Studie von Joanna S. Smith anhand der zyprischen Stadt Kition exemplarisch vor Augen.

Während die alten Strukturen ab dem 12. Jh. v. Chr. nach und nach zerfielen, gingen dort die Handelskontakte über das Meer weiter — und vergünstigten sich sogar: in kürzester Zeit gelang es den von der Levanteküste aus operierenden Phöniziern, ein florierendes Handelsnetz über das gesamte Mittelmeer bis zur iberischen Halbinsel zu spannen. Dabei gründeten sie an strategisch bedeutenden Küsten Stationen, die es ihnen ermöglichten, auch Güter mit dem Hinterland zu verhandeln — man spricht auch von der ‚Phönizischen Expansion'. Durch die jeweiligen Ansiedlungen der Phönizier kam es zu einem wechselseitigen Austausch mit der einheimischen Bevölkerung, der wiederum Einfluss auf Kultur, Gesellschaft und Religion hatte.

Eine bedeutende Anlaufstation in diesem Handelsnetz war die zyprische Hafenstadt Kition. Die Insel stellte aufgrund ihrer geografischen Lage eine Drehscheibe zwischen den umliegenden Kulturen dar. Die seit der frühen Bronzezeit bestehenden Beziehungen der Insel — damals Alasija bezeichnet — reichten von der Ägäis über Anatolien und die Levante bis nach Ägypten. Das Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen führte dazu, dass sich Zypern alsbald zu einem kosmopolitischen Zentrum im östlichen Mittelmeerraum entwickelte. International begehrt waren ihr Kupfer, Öl, Parfum, Textilien und Holz; neben Waren wurden aber auch religiöse und gesellschaftliche Vorstellungen ausgetauscht.

Smiths Studie analysiert nun die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen Kitions vom Beginn ihrer Gründung im 13. vorchristlichen Jahrhundert bis zur Etablierung der phönizischen Administration. Die Hafenstadt bietet sich als Fallstudie deshalb so hervorragend an, weil sich dort — im Gegensatz zu anderen zyprischen Siedlungen — eine Kulturkontinuität selbst durch die ‚Dunklen Jahrhunderte' nachweisen lässt. Kernpunkte ihre Studie sind die Ausgrabungen von Kition-Kithari, die Hafengegend mit Werkstätten für Textil- und Metallverarbeitung und einem Sakralbezirk, Kition-Chrysopolitissa, mit Teilen urbaner Struktur mit Administrationsbereichen, sowie Kition-Bamboula, wo ebenso Spuren urbaner Besiedlung freigelegt wurden. Damit ist Kition eine archäologisch relativ gut erforschte Stadt, obwohl große Flächen heute vom modernen Larnaka überdeckt werden. Erste Ausgrabungen fanden bereits durch die Swedish Cyprus Expedition (1929-30) statt, gefolgt von kontinuierlichen Kampagnen vom Department of Antiquities und einem französischem Team bis heute. Dabei konnte unzähliges aussagekräftiges Material aus den verschiedenen Zeithorizonten ab dem 13. Jh. v. Chr. geborgen werden. Die Ergebnisse sind sorgfältig publiziert (Smiths Publikation beinhaltet ein über 30-seitiges Literaturverzeichnis zur relevanten Literatur).

Smith bedient sich in ihrer Untersuchung eines neuen methodischen Ansatzes: durch das Erkennen signifikanter Bilder, Muster und Veränderungen der materiellen Hinterlassenschaften schließt sie auf wirtschaftliche und soziale Entwicklungen. Die Bilder ergeben sich aus der Architektur und Stratigraphie, den Inschriften, den figürlichen Darstellungen, den Werkzeugen und der Keramik.

Frühere Forscher hatten vermutet, dass Kition im 9. Jh. v. Chr. auf den Resten einer zerstörten bronzezeitlichen Vorgängersiedlung errichtet wurde. Eine erneute Prüfung der Befunde zeigt jedoch, dass von einer kontinuierlichen Besiedlung Kitions seit der Bronzezeit auszugehen ist. Ein wesentliches Fundament für die chronologische Einordnung ist dabei Smiths Neudatierung der zyprischen Keramik des 13. bis 7. Jhs. v. Chr. Einar Gjerstads Modell von 1948 wurde zwar bereits mehrfach kritisch hinterfragt, dennoch weiterhin bis heute zur Einordnung von Keramik herangezogen. Das große Problem stellte dabei Gjerstads Keramik vom Typ II dar, der er eine Laufzeit von 950-850 v. Chr. zusprach. Konnte Typ II bei einer Ausgrabung nicht entdeckt werden, klaffte also eine Material- und somit Kulturlücke von etwa 100 Jahren — was nicht nur Smith für unwahrscheinlich erachtete.

Die von ihr vorgenommene Neubearbeitung der Keramik erbringt nun das Ergebnis, dass die Typen I und II parallel zueinander existierten und somit nebeneinander gestellt werden müssen. Daraus ergibt sich, dass die Zypro-Geometrische Periode I und II (I: 1050-950; II: 950-850) zu I/II (1050-925/900 v. Chr.) zusammengefasst werden müssen. Gleichzeitig wird dadurch das Problem der angeblich 100 Jahre andauernden siedlungsfreien Zeit in der Zypro-Geometrisch II Periode bereinigt: Zypro-Geometrisch III beginnt nun 925/900 und läuft bis 800 v. Chr. Dies verschiebt den Beginn der Zypro-Archaischen Periode um 50 Jahr nach hinten (800-475 v. Chr.) — was sich auch mit den Ergebnissen der Analyse der zyprischen Plastik deckt. Dank Smith kann sich die Zypernforschung nun auf eine überarbeitete und einheitlich abgestimmte Chronologie stützen.

Smiths Analyse steckt voll weiterer Detailstudien, aus denen wichtige neue Interpretationsansätze für spezielle Objekte, Gebäude und Entwicklungen resultieren. Aus der detaillierten Untersuchung (siehe hierzu den unten angefügten Link zum ausführlichen Inhaltsverzeichnis) lässt sich für Kition nun folgendes zusammenfassen: was Handel, Gesellschaft und Kultur angeht, besaß Kition seit der Späten Bronzezeit internationalen Charakter. Man importierte Waren aus Ägypten, Assyrien, der Levante und dem griechischen Raum, benutzte ein verbindliches Gewichtssystem, besaß eine funktionierende Administration, florierende Werkstätten samt dem vielleicht ersten Recycling-System, war multilingual und zeigte auch in der Kunst und Religion einen aufgeschlossenen eklektischen Stil.

Die flexible Anpassung an die wirtschaftlichen Verhältnisse und den aktuellen Markt demonstrieren besonders die Werkstätten, deren Tätigkeiten sich von anfänglicher Metall- und Textilproduktion über Recycling von Metall und Elfenbein zur Weberei und Keramikherstellung entwickelten. Die sich verändernde Ausdehnung und Funktion der Gebäude und Höfe — mit ihren komplexen Stratigraphien — offenbart, dass das monumentalste und damit auch wichtigste Bauwerk der Stadt direkt am Hafen lag, also für jeden Ankömmling gut sichtbar war. Die Außenmauern waren mit maritimen Motiven dekoriert, während sich im unüberdachten Inneren ein Herdfeuer befand, das Schiffen auf See als Signal gedient haben könnte. Der Bau war ursprünglich eng mit Handel und Seefahrt verbunden; er repräsentiert den kooperativen Charakter der vorphönizischen Gesellschaft Kitions. Ab etwa 730 v. Chr. jedoch zieht die Religion in das Gebäude ein. Der phönizische Expansionsdrang gewinnt auch auf Zypern mit der Eroberung von Amathous zusätzlich an Substanz; im Zuge dessen könnte auch Kition bedroht worden sein. Das scheint der Grund, weshalb man die zentralen Aspekte der Gesellschaft — Wirtschaft und Religion — in das monumentalste und sicherste Gebäude zusammenzog. Profane und sakrale Macht wurden nun vereint.

In den Jahrhunderten zuvor (bis 850 v. Chr.) wird jedoch erkennbar, dass man eine duale Religionsvorstellung verfolgte: Es waren stets zwei kleinere Tempel in Gebrauch. Dass in der vorphönizischen Periode die alten Kultstätten dennoch für gewisse Zeit parallel zu den neuen weitergenutzt wurden, sieht Smith als ‚ein Mittel zur Bewältigung der Vergangenheit'. Den Terrakottafiguren nach zu urteilen, war dabei ein Tempel einer weiblichen, der andere einer männlichen Gottheit zugewiesen. In der Kultstätte für die Göttin fand sich zudem einen Ringkernos, durch den Flüssigkeiten flossen und sich mischen konnten: er ist letztlich als ein kosmologisches Modell zu deuten. Der sich im Allerheiligsten befindliche Herd war wie das Monumentalgebäude mit maritimen Motiven geschmückt, was der Göttin einen allumfassenden Charakter verleiht. Im Tempel für den Gott hingegen wurden Reiterfiguren, Stierfiguren und -hörner, Stier- und später Männermasken, gefunden; Smith zufolge lässt sich darin die Entwicklung von einem stierassoziierten Kult zu einer eindeutig männlichen Autorität erkennen. Die Rituale für beide Götter umfassten Fleischopfer sowie Opiumkonsum; der Mohn dafür wurde in einem eigens angelegten Garten angebaut.

Ab 707 v. Chr. steht die Stadt dann unter assyrisch-phönizischer Administration. Nach der Zerstörung des Monumentalgebäudes durch einen (mutwilligen?) Brand wird an gleicher Stelle ein ebenso großer Bau, ein Heiligtum für Baal, errichtet und eine Stele des assyrischen Herrschers Sargon II. aufgestellt; ein deutliches Machtsymbol. Alte Kultbilder — wie die Göttin mit erhobenen Armen — werden ebenfalls durch neue ersetzt. Der phönizische Gott Ptah-Patek, assoziiert mit Fruchtbarkeit, Schifffahrt und Häfen, erscheint nun im Kontext mit weiblichen, nackten Figuren — dies jedoch nicht im Tempelareal, sondern außerhalb. Im Tempel selbst findet man nun männliche Figuren und Reiter, die laut Smith den Eindruck einer Miniaturarmee erwecken, sowie Stiersymbolik und Masken.

Die Phönizier — nun nicht mehr bloß Handelspartner, sondern Herrscher über Kition — nutzen demnach zur Etablierung und Manifestation ihrer Macht dieselben Gebäude und Objekte, untergruben jedoch deren Kontext mit ihren eigenen Strukturen und Bedeutungen. Funktionieren konnte dies nur, weil beide Gesellschaften auf vergleichbaren Prinzipien aufgebaut waren. Der Tempel verband dabei Religion und Gesellschaft; die Machthaber legitimierten dort — wie in früheren Zeiten — ihren Anspruch durch Zeremonien und Rituale. Somit hielten sich die Phönizier in Kition bis spätestens zur Zerschlagung des Assyrischen Reichs 612 v. Chr. — die Stele Sargons II. wurde möglicherweise auch zu diesem Zeitpunk an Gesicht, Händen und Zepter mutwillig zerstört.

Der Titel Art and Society in Cyprus from the Bronze Age into the Iron Age hätte vielleicht besser Art and Society in Kition from the Bronze Age into the Iron Age heißen müssen, zumal Smith in ihrem Buch mehrfach betont, dass es sich um eine ‚regional study' handelt. Smith hat mit ihrer Neubearbeitung von Kition jedoch gezeigt, dass die sogenannten ‚Dunklen Jahrhunderte' und die Auswirkungen des ‚Seevölkersturms' überdacht werden müssen. Denn nicht nur in Kition und auf Zypern (etwa Palae Paphos, Idalion und Kourion), sondern auch in anderen Teilen des östlichen Mittelmeerraumes lassen vielfältige Hinweise auf eine kulturelle, soziale, wirtschaftliche und religiöse Kontinuität zwischen dem 12. und 7. Jh. v. Chr. schließen.

Inhaltsübersicht:
1. Introduction
2. Setting the record
3. Sizing up images
4. The human perspective
5. Deposits and pots
6. Pits and imports
7. From scholars to potters
8. Conclusions
Incl. neue Fotografien von 57 Objekten und neue Zeichnungen von 15 Objekten aus Kition.

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