Wednesday, June 18, 2014

2014.06.34

Ute Effland, Andreas Effland, Abydos: Tor zur ägyptischen Unterwelt. Zaberns Bildbände zur Archäologie. Darmstadt: Verlag Philipp von Zabern, 2013. Pp. 144. ISBN 9783805345415. €29.99.

Reviewed by Jan Moje, Freie Universität Berlin (janmoje@fu-berlin.de)

Version at BMCR home site

Table of Contents

Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit dem ägyptischen Ort Abydos im Hinblick auf die dort durchgeführten kultisch begründeten Aktivitäten und Bautätigkeiten seit dem Mittleren Reich, im Zuge der Interpretation des Ortes als „Tor zur Unterwelt". Der Fokus liegt – gemäß den Arbeitsschwerpunkten der Autoren – auf dem Osiriskult seit dem Mittleren Reich, auch wenn die Anfänge der Beziehungen Abydos-Osiris sich bereits in die 5. Dynastie datieren lassen.

Im ersten der durchgehend nicht numerierten Kapitel (p. 8 – 12) wird kurz die örtliche Topographie vorgestellt, folgend die Vorgeschichte des Ortes mit den frühdynastischen Königsbestattungen in Umm el-Qaab erläutert, um die Entwicklung des Ortes zum mehr als drei Jahrtausende lang bedeutendsten Kultort des Osiris und Standort des Osiris-Grabes besser nachvollziehen zu können. Bereits in der ersten Dynastie scheint das Wadi von Abydos, auf das die architektonischen Installationen dieser Zeit Rücksicht nehmen, eine explizite funeräre Konnotation innegehabt zu haben.

Es folgt (p. 12 – 20) eine Kurzversion des Osiris-Mythos, um dann die Entwicklungen im Mittleren Reich näher unter die Lupe zu nehmen. Hier wird Bezug genommen auf Objekte wie die Berliner Stele des Ichernofret. Hochbedeutend ist das Osiris-Kultbild, welches von Amélineau im Grab des Königs Djer gefunden wurde und in die 13. Dynastie datiert. Rezent gefundene Fragmente konnten zu einem Schrein zusammengesetzt werden, der einst um dieses sog. Osiris-Bett stand.

Umfangreich sind die beiden nächsten Kapitel (p. 21 – 55), die das Neue Reich und seine abydenische Sakrallandschaft in ihrer chronologischen Entwicklung in extenso nachzeichnen. Zahlreiche Quellen vor allem auch aus den aktuelleren Grabungen der Autoren, besonders bislang unpublizierte Stücke, werden hierfür herangezogen, ergänzend hätten die Grabungs- bzw. Inventarnummern mit erwähnt werden können. Einige Unterkapitel beschäftigen sich mit den überwiegend hier vorkommenden, seltenen Gefäßen in Form der Herz-Hieroglyphe. Dazu wird schlüssig die Interpretation vorgeschlagen, dass diese Gefäße eventuell im Zusammenhang mit dem Bringen-des-Herzens zur Belebung einer Statue und/ oder den osirianischen Choiak-Riten zu sehen sein könnten.

Das folgende, ebenfalls ausführliche Hauptkapitel (p. 56 – 77) beschäftigt sich mit dem Osiriskult in der Dritten Zwischenzeit, darüber hinaus auch mit der Herrscherabfolge und generellen Problemen dieser Zeit. Abydos ist hier ein reicher Ernteplatz für Neufunde von zahlreichen libyschen Herrschern dieser Periode. Jene werden in Photo, Faksimile und Umzeichnung gegeben und detailliert besprochen, beispielsweise die neuen Dokumente für die selten belegten Psusennes II. und III.

Die beiden nächsten Abschnitte (p. 78 – 97) sind der Spätzeit und speziell der 30. Dynastie gewidmet. Hier ist unter anderem auf die großen Mengen der sog. „Spätzeitflaschen" zu verweisen, die teilweise noch in Reihen deponiert aufgefunden wurden und Hinweise auf Prozessionswege geben können.

Anschließend (p. 98 – 109) diskutieren die Autoren die mögliche Anwesenheit Alexanders III. in Abydos. Hinweis hierfür ist nur eine lang bekannte – leider sehr fragmentarisch erhaltene – Stele mit den obersten Zeichen einer Königskartusche, die die Autoren erstmals zur hieroglyphischen Version des Alexander Jrgsjndrs ergänzen. Beweisen lässt sich dies aufgrund des geringen Erhaltungsgerades freilich nicht mit völliger Sicherheit, die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch sehr groß.

Schwerpunkte sind anschließend (p. 110 – 130) die Bürgerkriege und Aufstände, die die ptolemäische Dynastie in den Zeiten Ptolemaios III. bis Ptolemaios V. erschütterten. Mit Bezug auf Abydos selber sind aus dieser Zeit nur wenige diesbezügliche Quellen erhalten. Von besonderem Interesse ist hier ein griechisches Graffito des Hurgonaphor, der mit dem Gegenkönig Haronnophris zur Zeit Ptolemaios IV./V. identifiziert werden kann. Eine direkte Beziehung zu Abydos durch die mit Osiris konnotierten, regierungsprogrammatischen Herrschernamen des Haronnophris und seines Nachfolgers Chaonnophris hat einiges für sich, kann aber nicht sicher bewiesen werden. Mittelfristig hatten diese Rebellionen auch direkten Einfluss auf den Osiriskult in Abydos, in der späteren Ptolemäerzeit wurde das Wadi mit der Prozessionsstraße vom Osirisgrab zum Fruchtland durch eine Nekropole verschlossen, die Kultabläufe somit unterbrochen. Die Autoren sehen dies – und da ist ihnen nach Meinung des Rez. zuzustimmen – möglicherweise in direktem Zusammenhang mit den Aufständen und der Parteinahme zumindest eines Teils der Osirispriesterschaft für die Aufständischen, quasi als staatlich verordnete Bestrafungsmaßnahmen. Das Kapitel schließt mit einem Überblick über die späten Textquellen, die Ritualhandlungen und Kulte in Abydos bezeugen, bis hin zum „Christus-Bes" eines koptischen Zaubertextes des 5. nachchristlichen Jahrhunderts. Das Ende des paganen Kultes in Abydos, offiziell Mitte des 4. Jahrhunderts, inoffiziell erst im Laufe des 6. Jahrhunderts wird p. 130 kurz aufgegriffen.

Zum Ende des Bandes (p. 130 – 139) werden Erwähnungen von Abydos in frühneuzeitlichen Karten thematisiert, so Abraham Ortelius im 16. Jh. sowie – leider nur kurz erwähnt – Claude Sicard, der vermutlich erste Europäer in Abydos. Daneben kommt ein mittelalterlicher arabischer „Schatzsucher-Reiseführer" zur Sprache, der zum Zwecke der erfolgreichen Suche angeblich ergiebige Bauwerke u. a. eben in Abydos beschreibt, und zwar relativ genau, wenn auch partiell mit Legenden vermischt. Detailliert stellen die Autoren den österreichischen Kronprinzen Rudolf vor, dessen Reisetagebuch besonders ausführliche Informationen über die Situation in Abydos Mitte des 19. Jahrhunderts beinhaltet. Dies leitet über zu einer knappen Beschreibung von lokalen, christlichen wie islamischen Volksbräuchen und magischen Handlungen, die bis ins 20. Jahrhundert hinein mit den antiken Lokalitäten und deren Hinterlassenschaften konnotiert waren.

Abgeschlossen wird die Publikation durch ein Literaturverzeichnis.

Den Reiz dieses Bandes macht aus, dass er nicht nur, wie bei vielen ägyptologischen Werken, mit der Römerzeit oder gar schon einer pharaonischen Epoche endet, sondern die Geschichte des behandelten Ortes bis in die Neuzeit hinein fokussiert, sich also über einen Zeitraum von mehr als 5000 Jahren erstreckt. Ähnlich ist auch die Bearbeitung der Nekropole von Assiut intendiert, wo unlängst, neben den Publikationen der archäologischen Hinterlassenschaften, auch ein Band über die frühneuzeitlichen Reiseberichte erscheinen konnte.1

Neben der historischen Entwicklung des Osiriskultes richten die Autoren besonderes Augenmerk auch auf die antike Entwicklung sowie moderne Rekonstruktion der abydenischen Sakrallandschaft u. a. mit den Kultachsen, die Gebäude und markante topographische Merkmale miteinander verbinden, ein immer wichtiger werdendes Instrumentarium zum Verständnis antiker Kultabläufe auch in ihrem topographischen Kontext. Neue und aktuellste Forschungsergebnisse fließen mit in die leicht verständlich, trotzdem aber auf wissenschaftlichem Niveau geschriebene Darstellung ein. Der Band zeichnet sich durch zahlreiche gute Abbildungen, Faksimiles und Rekonstruktionszeichnungen aus. Eine Karte, aus der für Interessierte die generelle Verortung von Abydos im Nilland ersichtlich wird, findet sich hingegen erst auf p. 101.

Nur einige wenige Kritikpunkte seien angemerkt. Speziell im ersten Teil des Buches sind die Verweise auf die Abbildungen – die in jedem Kapitel neu numeriert werden – immer an ein Abschnittsende gerückt, so dass die direkten Bezüge zum damit verbundenen Satz nicht immer stimmig sind, so wie beispielsweise p. 39 Abb. 16, p. 70 Abb. 21 oder p. 71 Abb. 23. Wünschenswert wären noch ein Glossar und eine Zeittafel mit den angesprochenen Pharaonen gewesen. Der Band richtet sich zwar an Leser mit generellem Vorwissen, jedoch ist vermutlich die genauere aktuelle Zuordnung der zahlreichen genannten, auch weniger bekannten Herrscher wie beispielsweise eines Scheschonq IIb Tutcheperre sicherlich nicht allen geläufig.

Zu kritisieren ist – an die Adresse des Verlages – das nach Meinung des Rez. über ein handliches A4 weit hinausgehende Format, mit übergroßen Rändern und ebensolchen Abständen bei den Unterüberschriften. Letztendlich ist jedoch auch zu fragen, welchen Rezipientenkreis der Verlag mit dieser Form von Publikationen eigentlich primär ansprechen will. Einerseits enthält der zu besprechende Band zahlreiche und hochinteressante Details, die eigentlich eher für spezialisierte Fachkollegen relevant sind (trotz der nicht immer aufgeschlüsselten Sekundärliteratur, während Laien wohl weniger zügig P.Bibl.Nat. Suppl.gr. 574 oder PGM 123 nachschlagen können). Andererseits muss auch ausführlicher auf allgemeinere Tatsachen eingegangen werden, die wiederum nur für ein generelles Publikum, nicht hingegen für Fachwissenschaftler, zum Verständnis notwendig sind. Das Literaturverzeichnis wurde vom Verlag wohl eher nur für wissenschaftlichen Nutzen eingeschätzt und ist daher in einer äußerst winzigen Schriftgröße gesetzt, um eine Seite nicht zu übersteigen.

Insgesamt handelt es sich hier um ein lesenswertes, mit zahlreichen fachlichen Details ausgestattetes Buch, das nicht nur für moderne Reisende in die alte Stadt des Osiris zu empfehlen ist.



Notes:


1.   Asyut Project (Harrassowitz Verlag).

No comments:

Post a Comment

Note: Only a member of this blog may post a comment.