Thursday, May 18, 2017

2017.05.31

Lukas Lemcke, Imperial Transportation and Communication from the Third to the Late Fourth Century: The Golden Age of the 'cursus publicus'. Collection Latomus, 353. Bruxelles: Éditions Latomus, 2016. Pp. 161. ISBN 9789042933569. €30,00.

Reviewed by Raphael Brendel, Ludwig-Maximilians-Universität München (raphaelbrendel@arcor.de)

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Table of Contents

Offenlegung: Ich war in minimalem Ausmaß an der Entstehung dieses Buches beteiligt, da ich im Jahre 2015 Herrn Lemcke das Manuskript meiner Dissertation zur Verfügung gestellt habe (und er mir umgekehrt das seiner Masterarbeit), worauf er auch in seinem Buch verweist (S. 89, Anm. 304). Über diesen Austausch und zwei Hinweise auf aktuelle Literaturtitel geht meine Einflussnahme auf dieses Buch jedoch nicht hinaus.

Der cursus publicus, das kaiserzeitliche System der Infrastruktur, hat in den letzten Jahren vor allem durch die Forschungen von Pascal Stoffel, Lucietta Di Paola und insbesondere Anne Kolb verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Nun sind etwa zeitgleich zwei weitere Monographien erschienen, die sich ausführlicher mit Fragen zu dieser Thematik auseinandersetzen. Neben meiner eigenen Diskussion der entsprechenden Gesetze Julians1 handelt es sich dabei um das hier zu besprechende Buch von Lemcke, der den cursus publicus vor allem des dritten und vierten Jahrhunderts betrachtet und einen weiter gefassten Blick auf dessen Organisation und Hintergründe wirft.2

Die Einleitung bietet einen Überblick über den Forschungsstand und über das kaiserzeitliche System der vehiculatio. Hier benennt Lemcke auch das Ziel seiner Arbeit: Er will die bislang fehlende Studie zum Übergang von der vehiculatio zum cursus publicus vorlegen, in der die damit einhergehenden Änderungen sowie die Struktur und Funktion des cursus publicus untersucht werden. Diese Übergangszeit wird im zweiten Kapitel untersucht, worin Lemcke die verschiedenen Gründe herausarbeitet, die eine Änderung des Systems notwendig gemacht haben: Die wachsende Mobilität des Kaisers und seines Hofs, die Änderungen des rechtlichen Rahmens als Folge der Constitutio Antoniniana und der steigende Bedarf an Rohstoffen und Materialien. Im Anschluss daran werden die Reformen Diokletians und Konstantins dargelegt.

Das dritte Kapitel über den cursus publicus im vierten Jahrhundert befasst sich mit Fragen der Organisation und Verwaltung des Systems. Zunächst präsentiert Lemcke die relevanten Quellen und geht Fragen der Terminologie (mansio, mutatio, statio) nach und wirft einen Blick auf die hierfür herangezogenen Tiere, wobei auch hier die Terminologie ausführlich untersucht wird. Die beiden folgenden Unterkapitel befassen sich mit Verwaltung und Organisation sowie mit der Finanzierung. Danach wird ausführlich untersucht, welche Personengruppen den cursus publicus nutzen durften und wer eine Nutzung autorisieren konnte. Zur ersten Frage prüft Lemcke die Aussagen der Quellen auf allgemeine Vorgaben, solche zu Dienstreisen und zu Transporten. Gesondert behandelt werden die Bischöfe und die Soldaten, die beide als begrenzte Belastungsfaktoren beurteilt werden. Für den zweiten Punkt werden nach einem Überblick über die Vergaberechte der ersten drei Jahrhunderte und die Terminologie, wobei Lemcke zwischen drei Formen unterscheidet (Anfertigung, Verteilung und Modifikation von evectiones), die Kompetenzen der einzelnen Amtsträger einer Prüfung unterzogen: Prätorianerpräfekten und magistri officiorum, Stadtpräfekten, Vikare, Provinzstatthalter und militärische Amtsträger; daraufhin folgt eine Zusammenstellung der Kontingente der evectiones, die in der Notitia Dignitatum belegt sind. In einem letzten Unterkapitel werden die Kontrollmechanismen, mit denen Missbräuche des cursus publicus verhindert werden sollten, untersucht.

Nach der Zusammenfassung der Ergebnisse folgt ein Ausblick über die weitere Entwicklung im Westen und im Osten, ein Abbildungsverzeichnis, die Literaturliste und der Registerteil.

Das Buch erweist sich als anerkennenswerte und erfreuliche Leistung, die das Wissen über den cursus publicus immer wieder erweitert oder zumindest präzisiert. Die nachfolgend anzuführenden Punkte sind daher in den meisten Fällen nicht als Kritik, sondern als Anregung zu weiterer Forschung und Vervollständigung des Bildes gedacht.

Fehler und Irrtümer sind nur in ganz geringer Anzahl festzustellen.3 Quellen und moderne Forschungsliteratur sind sehr gut aufgearbeitet, wobei sowohl die unterschiedlichen Arten der Quellen (Literatur, Gesetze, Papyri, Inschriften, Münzen) ebenso wie Forschungsbeiträge der unterschiedlichen Fachsprachen berücksichtigt sind. Einige ergänzende Belege, die im Wesentlichen die Thesen Lemckes stützen oder präzisieren würden, sind nachzutragen.4

Wie zu erwarten, erweist es sich als schwierig, bei einem derart weit gespannten Thema die Literatur vollständig zu erfassen. Um künftigen Forschern die Angelegenheit zu erleichtern, füge ich noch einige Titel an, die bislang nur schwer zugänglich waren oder erst kürzlich erschienen sind (sofern sie nicht über Lemcke oder GGW erfassbar sind). 5

Es passiert nicht oft, dass Magister-/Masterarbeiten außerhalb von Online-Publikationen auf den Universitätsservern veröffentlicht und somit einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden. Noch seltener kommt es vor, dass aus einer solchen Publikation ein lesenswerter Forschungsbeitrag entsteht. Ein solcher seltener Fall ist Lemckes Masterarbeit, die gleichermaßen als Forschungsbeitrag wie als kompakter Überblick über den cursus publicus höchst nützlich und willkommen ist.



Notes:


1.   Raphael Brendel, Kaiser Julians Gesetzgebungswerk und Reichsverwaltung, Hamburg 2017, S. 316-364; nachfolgend GGW zitiert.
2.   Hierbei handelt es sich um die ergänzte und erweiterte, aber nicht grundlegend veränderte Fassung der Masterarbeit Lemckes, die 2013 an der University of Waterloo (Ontario, Kanada) unter Altay Coşkun angefertigt wurde. Dieses Werk kann online unter uwspace.uwaterloo.ca konsultiert werden. Teile des Werkes gehen zudem auf die Bachelorarbeit Lemckes zurück (S. 18, Anm. 22).
3.   S. 28 werden Reskripte als „direct appeals to emperors for a ruling" definiert, bei denen es sich aber um die Antworten des Kaisers auf solche Anfragen im Rahmen des (S. 28-29 grundsätzlich richtig dargestellten) Reskriptsystems handelt. S. 56 wird behauptet, der Begriff parhippos sei zuerst in den Briefen Julians belegt und vermutlich eine gräzisierte Fassung von paraveredus. Tatsächlich kennen bereits frühere griechische Quellen diesen Begriff, der dort allerdings einen berittenen Begleiter bezeichnet (GGW S. 336, Anm. 1209). S. 78 mit Anm. 255 wird behauptet, Julian würde in CTh 8,5,14 den agentes in rebus die Requirierung von parhippi zugestehen, was aber aus dem Gesetzestext nicht hervorgeht, zumal dessen zweite Bestimmung nicht direkt mit der ersten verknüpft ist und eine andere Zielsetzung hat (GGW S. 337-339). Die S. 89 mit Anm. 302 zitierten Pliniusbriefe lassen nicht den Schluss zu, dass der Kaiser in regelmäßigen Abständen festgelegte Kontingente von evectiones an die Statthalter versendet (GGW S. 323-324). Unerfreulich ist, dass Ammianus nur nach Rolfe zitiert wird. Kaiser Maiorianus wird (nicht ganz unwitzig) zu „Majoran" verschrieben (S. 124, S. 125, S. 128). Der S. 88, Anm. 295 und S. 143 zitierte Lexikonartikel Neumanns ist nicht im Neuen Pauly (NP), sondern im Kleinen Pauly (KP) erschienen. Die übrigen wenigen Druckversehen (S. 4 „3.6.2.5" doppelt; S. 62, Anm. 187; S. 74, Anm. 237) scheinen zumindest teilweise dem Verlag anzulasten zu sein.
4.   Nicht beachtet wird Sokrates HE 3,1,52 (GGW S. 355-358), wo die Tiere, die im cursus publicus Verwendung finden, genannt sind (Lemckes Belege dazu S. 54-55, Anm. 147), wobei einige spätere Abschreiber die Liste um Kamele und in einem Fall um Schafe (!) erweitern. Zu den S. 42 mit Anm. 108 behandelten Akklamationen wären noch die (kürzlich von Raffaella Cribiore übersetzte) 41. Rede des Libanios und die Forschungen von Hans-Ulrich Wiemer (Akklamationen im spätrömischen Reich, in: Archiv für Kulturgeschichte 86 (2004), S. 27-73; Voces populi. Akklamationen als Surrogat politischer Partizipation, in: Egon Flaig [Hrsg.], Genesis und Dynamiken der Mehrheitsentscheidung, München 2013, S. 173-202) zu ergänzen. Über die Versendung von Appellationen (S. 43) handelt ausführlich CTh 11,30,29. Ein Beispiel für eine suggestio (S. 43), zudem noch in Zusammenhang mit dem cursus publicus, bietet CTh 8,5,13. Im Zusammenhang mit der angestrebten größtmöglichen Weideversorgung (S. 71) lässt sich auch papyrologisch der Begriff der chlorophagia fassen (GGW S. 187 mit Anm. 649). Bei der Diskussion der notwendigen höheren Mobilität des Hofes (S. 27-29) wären als zusätzliches Argument die iudices pedanei (von den Statthaltern ernannte Hilfsrichter, dazu GGW S. 87-95) anzuführen, die ebenfalls einen Hinweis auf eine steigende Nachfrage nach Rechtsprechung stellen. Im Kapitel zum Osten ab dem 5. Jahrhundert (S. 129-134) hätte es sich noch angeboten, einen Vergleich des Codex Theodosianus (CTh 8,5 mit 66 Gesetzen) und des Codex Iustinianus (CI 12,50 mit 23 Gesetzen) mit Blick auf die Aufnahme- und Auslassungsprinzipien der Gesetze in letztgenanntem sowie die Kürzungsmechanismen bei aufgenommenen Gesetzen zu werfen.
5.   Homer Armstrong Thompson, Roads and road travel in Roman dominions to 180 A. D., M.A.-Thesis University of British Columbia 1927 (UBCLibrary Open Collections); Dorothea Mary Freed, Trade routes of the Roman empire, M.A.-Thesis University of British Columbia 1941 (at UBCLibrary Open Collections); Alain Chauvot, Guerre et diffusion des nouvelles au Bas-Empire, in: Ktema 13 (1988), S. 125-135 = Alain Chauvot, Les „barbares" des Romains. Représentations et confrontations, Metz 2016, S. 349-363; Roderick J. O. Millar, The technology and economics of water-borne transportation systems in Roman Britain, Diss. University of British Columbia 2002 (at UBCLibrary Open Collections); Michel Molin, Circulation, transports et déplacements en Europe occidentale (IIe s. av. J.-C.-IIe s. apr. J.-C.). Données indigènes et apports romains, in: Pallas 80 (2009), S. 205-221; Margarita Vallejo Girvés, Kouriosos o curialis. El cursus publicus en las dos versiones de la Vita Melaniae Iunioris, in: Euphrosyne N.S. 38 (2010), S. 95-115; Klaus Altmayer, Die Herrschaft des Carus, Carinus und Numerianus als Vorläufer der Tetrarchie, Stuttgart 2014, S. 286 mit Anm. 619 (zu CI 10,43,1 im Kontext der Gesetzgebung des Carus); Jean Gascou, Un nouveau document sur le cursus publicus (P. Würzb. inv. 48), in: Archiv für Papyrusforschung 60 (2014), S. 209-216; Daniele Vittorio Piacente, Sulla viarum munitio, in: Classica et Christiana 9 (2014), S. 497-509; Pierre Sillières, La vehiculatio (ou cursus publicus) et les militares viae. Le contrôle politique et administratif de l'empire par Auguste, in: Studia historica, historia antigua 32 (2014), S. 123-141. Aus der älteren Forschung zu erwähnen wäre noch der von Lemcke nicht verwertete Beitrag Wilhelm Ensslin, Carpentum oder carruca? Bemerkungen zum Fahrrecht und Amtswagen im spätrömischen Reich und zum Versuch einer Datierung der Historia Augusta, in: Klio 32/N.F. 14 (1939), S. 89-105. Einige Details zum Hintergrund der Monographie Pflaums finden sich Revue des études latines 15 (1937), S. 345. Allgemein ist noch darauf hinzuweisen, dass auch viele Rezensionen der älteren einschlägigen Studien (Holmberg, Stoffel, Di Paola, Kolb) überdurchschnittlich oft zusätzliche Informationen in Form von Quellen- und Literaturergänzungen, aber auch weiterführenden Überlegungen bieten. Besonders hervorzuheben sind die detaillierten Diskussionen der Studie Kolbs von Peter Eich, in: Arctos 36 (2002), S. 196-201 und Rudolf Haensch, in: Göttinger Forum für Altertumswissenschaft 6 (2003), S. 1097-1101 (at gfa.gbv.de).

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