Sunday, January 6, 2013

2013.01.05

Jens Gering, Domitian, dominus et deus? Herrschafts- und Machtstrukturen im Römischen Reich zur Zeit des letzten Flaviers. Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption, 15. Rahden: Verlag Marie Leidorf, 2012. Pp. 433. ISBN 9783896467362. €84.00.

Reviewed by Kerstin Droß-Krüpe, Philipps-Universität Marburg – Seminar für Alte Geschichte (dross@staff.uni-marburg.de)

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Table of Contents

Der Autor legt hier seine 2010 an der Universität Osnabrück eingereichte Dissertation vor, die für den Druck inhaltlich nicht verändert, wohl aber um einen Index erweitert wurde. Die Arbeit gliedert sich nach einer überraschend kurzen Einleitung (8-9) in fünf Teile. Zunächst werden Quellenlage und Forschungsstand präsentiert (Kapitel 3 and 4), dann erfolgt in drei Kapiteln die inhaltliche Auseinandersetzung mit Domitian unter den Aspekten Herrschaftslegitimation und -repräsentation (Kapitel 5), Herrschaftspraxis (Kapitel 6) sowie senatorische Opposition (Kapitel 7). Eine knappe Zusammenfassung und ein Anhang (inkl. Quellen- und Literaturverzeichnis sowie Index) schließen die Arbeit ab.1

Bereits in der Einleitung weist Gering auf die widersprüchlichen Bilder hin, welche die antike Literatur uns über Domitian präsentiert und die in divergierenden Einschätzungen dieses princeps in der Altertumswissenschaft gemündet sind. Gerings Anliegen ist nun „die Einordnung der domitianischen Politik in den allgemeinen Entwicklungsprozess des Principats im 1. Jahrhundert n.Chr." Die Arbeit steht also in der Tradition der Frage nach Kontinuitäten und Diskontunitäten, die seit einigen Jahren verstärkt als Analyserahmen historischer Fragestellungen genutzt wird.

Im folgenden Kapitel „Quellenlage" (10-27) widmet sich Gering dem überlieferten Quellenmaterial, wobei er insbesondere auf dessen Quellenwert fokussiert.2 Dabei bleiben aber einige Einordnungen vage und unscharf. So heißt es beispielsweise von Iuvenal er sei „problematisch" (21), von Sueton heißt es einerseits sein Werk bereite „weniger Schwierigkeiten bei der Interpretation", andererseits sei es „oftmals schwierig, zwischen Historischem und Anekdotischem zu unterschieden" (22). Dion von Prusa könne aus persönlichen Gründen nicht zu einem objektiven Urteil über den Principat Domitians kommen, während Gering umgekehrt für Statius angesichts dessen persönlicher Verquickungen nicht zu einem ähnlichen Schluss kommt – dessen Silvae bieten laut Gering „die Möglichkeit, die kaiserliche Regierungstätigkeit [...] zu rekonstruieren". Irritierend ist eine gewisse Skepsis Gerings gegenüber dem epigraphischen Material, dem in diesem Abschnitt insgesamt nur 20 Zeilen eingeräumt werden. Zwar seien diese „vertrauenswürdiger als die literarischen Quellen", es sei aber „mit diversen Fehlermöglichkeiten zu rechnen" (25), die dann aber nicht näher spezifiziert werden.

Der Abschnitt „Forschungsgeschichte und Methodik" (28-37) liefert einen anschaulichen Überblick über die Domitianforschung seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Gewinnbringend und übersichtlich sind hier die zentralen Strömungen und methodischen Zugänge zusammengefasst. Aus den bisherigen Arbeiten leitet Gering die Prämissen für seine eigenen Forschungen ab, nämlich die Verlagerung des Fokus' von der Persönlichkeit des princeps auf seine politischen Konzepte und die Loslösung von einer isolierten Betrachtung Domitians, der statt dessen besser in den Kontext der flavischen Dynastie als Ganzes einzuordnen sei (35). Folglich formuliert Gering als Ziel seiner Dissertation eine längsschnittartige Analyse der flavischen Herrschafts- und Machtstrukturen, um Kontinuitäten und Brüche besser zu fassen.

In Kapitel 5 „Die Legitimation von Herrschaft unter den Flaviern" (38-199) beginnt nun die eigentliche Untersuchung – und zwar mit dem Herrschaftsantritts Vespasians im Jahr 69 n.Chr. Dieser Startpunkt ist angesichts der angestrebten längsschnittartigen Betrachtung der flavischen Regenten durchaus konsequent, die intensivere Einbeziehung der Frage, welche Komponenten und Entwicklungen Vespasian letztlich den Principat bescherten, wäre aber durchaus auch gewinnbringend bewesen. Gering betont die Bedeutung, die die Vergabe von Ämtern für die Sicherung und Etablierung der flavischen Herrschaft besessen habe (56). Insbesondere sieht er aber das sog. dynastische Prinzip als Schlüsselelement der Herrschaftslegitimation – wobei nach Ansicht der Rezensentin zunächst einmal danach zu fragen wäre, ob und inwieweit die schiere Existenz eines Nachfolgers überhaupt als Instrument zur Legitimation von Herrschaft verstanden werden darf. Weniger der Aspekt der Legitimation als vielmehr der einer Konsolidierung und Vertrauensbildung dürften durch die Betonung von dynastischer Stabilität von Kontinuität angesprochen worden sein – die Legitimität eines Herrschers lässt sich dagegen wohl nicht an der Zahl seiner Söhne messen.

Überzeugend gelingt Gering in diesem Abschnitt die Dekonstruktion der oft postulierten Feindschaft zwischen den Brüdern Titus und Domitian. Zuzustimmen ist auch seiner Einschätzung der sexuellen Unmoral bzw. exzessivem Sexualleben als literarische Topoi (111). Die Existenz einer Liebesbeziehung zwischen Domitian und seiner Nichte Iulia wird von Gering daher ins Reich der Fabel verwiesen. Interessant ist allerdings, dass sein Urteil mit Blick auf die postulierte Affäre der Kaisergattin Domitia zum Schauspieler Paris auf Basis der selben Quellen anders ausfällt. Nicht ganz überzeugen kann auch die Argumentation, dass das Iseum Campense kein Ausdruck eines engen Bezugs des princeps zur Göttin Isis und Ägypten sei, sondern lediglich als Element eines ehrgeizigen kaiserlichen Bauprogramms gesehen werden darf (122f.).3 Ausführlich widmet sich Gering der bereits in der Vergangenheit viel diskutierten Frage nach der Historizität der dominus et deus-Titulatur. Zu Recht weist er darauf hin, dass viele nachdomitianische Quellen, die die Annahme eines solchen Titels postulieren, vermutlich auf eine Passage bei Sueton zurückgehen. Stärkstes Argument ist aber sicherlich das Fehlen dieser Phrase in den Inschriften, in denen zwar Domitian zweimal als dominus, nie aber als dominus et deus bezeichnet wird (134).

Es folgt eine Analyse der flavischen Münzprägungen, wobei allerdings der Schwerpunkt eindeutig auf den domitianischen Münzen liegt, während die Münzen der übrigen flavischen Kaiser nur vereinzelt als Vergleichsfolien herangezogen werden. Gering kann auch für dieses Medium eine Betonung des dynastischen Prinzips herausarbeiten, das sich in der wiederkehrenden Abbildung verschiedener Familienmitglieder Domitians manifestiert. Gleichzeitig rücken die ludi saeculares-Prägungen Domitian in eine direkte Traditionslinie zu Augustus (ebenso wie die Umbenennung zweier Monate). Auch in der Nomenklatur finden sich Bezüge auf Augustus. Neben den Traditionslinien sind aber auch innovative Elemente, wie der Germanicus- oder der censor perpetuus-Titel zu finden. Insbesondere der Germanicus-Siegerbeiname wird von Gering überzeugend als Indiz für ein Streben nach militärischer Legitimation Domitians gedeutet. Auch für die bildliche Repräsentation Domitians betont Gering mit Blick auf den equus Domitiani und die Cancelleria-Reliefs, die Traditionslinien, in die sich Domitian stellte. Auch hier sind also die Kontinuitäten vorherrschend. Selbst für die domus Augustana lässt sich ein Anknüpfen an frühere Traditionen aufzeigen.

Den Abschluss des Kapitels bilden Ausführungen zur Rezeption der Herrschaftsdarstellung Domitians. Gering denkt hier an für die Provinzen des Imperiums die Provinzialprägungen zu benutzen, kommt aber zu dem Schluss, dass diese für seine Fragestellung „nur sehr bedingt herangezogen werden" können (192). Daher untersucht er im folgenden Abschnitt die Rezeption Domitians anhand der zeitgenössischen Literatur. Die Fokussierung auf die literarische Überlieferung, insbesondere auf die domitianzeitliche Dichtung, ist aus mehreren Gründen nicht unproblematisch. Zwar geht Gering davon aus, der princeps und sein Umfeld hätten keinen direkten Einfluss auf die Werke des Statius' und des Martials genommen, deren unmittelbare zeitliche Nähe macht eine Trennung zwischen offizieller Herrschaftsrepräsentation und deren Rezeption aber dennoch schwierig. Auch wenn Domitian nicht als „Literaturpatron" agierte, die Dichter nicht finanzierte und ihre Werke nicht zensierte, so erscheint es doch zumindest fraglich, ob die Dichter wirklich „lediglich Rezipienten der öffentlichen Repräsentation" waren (193). Erfolgversprechender für die Erfassung der Rezeption Domitians hätte nach Ansicht der Rezensentin die Heranziehung von privaten Weihungen sein können, um zu analysieren, wie bestimmte Bevölkerungskreise Domitian sahen und welche Elemente seiner offiziellen Herrschaftsrepräsentation aufgegriffen wurden.4

Im Kapitel 6 (200-304) untersucht Gering die „Herrschaftspraxis Domitians", beginnend mit seinem Engagement in Rom und im italischen Kernland. Ziel ist das Herausarbeiten „der konkreten Herrschaftstätigkeit des letzten Flaviers", genauer die Frage „nach einem persönlichen Regierungsstil des ‚princeps' im Vergleich zu seinen Vorgängern" (201). Kronzeugen sind hier primär die literarischen Überlieferungen. Es zeigt sich das Bild eines klug agierenden Realpolitikers, sei es mit Blick auf Maßnahmen im Bereich der Landwirtschaft, des Bauprogramms oder die Organisation der Verwaltung. Immer wieder findet Gering auch hier Anknüpfungspunkte an politische Maßnahmen vorangegangener Principes (eine Ausnahme bildet der censor perpetuus, der zu Recht als domitianische Neuerung gewürdigt wird). Überzeugend herausgearbeitet wird hier auch die Fürsorge und Weitsicht Domitians in der Provinzverwatung sowie in der Grenzpolitik. Gerings Fazit lautet hier (304): "Alles in allem ergibt sich für Domitian daher das Bild eines strengen, akribisch arbeitenden und engagierten ‚princeps', der seine Regierungsgeschäfte nach dem Vorbild seines Vaters seriös und im Kern auch erfolgreich führte."

Das abschließende siebte Kapitel untersucht „Das Verhältnis zwischen „(Senats-)Opposition" und Princeps (305-348). Gering vermutet in der Existenz von senatorischen Oppositionsgruppierungen die Wurzel des negativen Domitiansbildes der senatorischen Geschichtsschreibung. Auch im Umgang mit oppsitionellen Strömungen wie z.B. Arulenus Rusticus und Herennius Senecio sieht Gering Domitian in einer Traditionslinie zu seinen Vorgängern Nero und Vespasian (311-315). Auch sein Umgang mit dem Aufstand des Saturninus zeigt sich bei näherer Betrachtung nicht durchgehend grausam, sondern ähnelt dem Vorgehen anderer principes gegen Usurpatoren. Kontinuität und Tradition sind auch die Schlagworte, mit denen Gering Domitians Personalpolitik und damit sein Verhältnis zur senatorischen Opposition kennzeichnet. Mögliche Gründe für die zunehmend kritische Sicht senatorischer Kreise auf den princeps, vermutet Gering im Eingreifen Domitians in die Besetzung der Suffektkonsulate und anderer Ämter, was zu einer Art „Beförderungsstau" geführt habe (337 f.).

Kapitel 8 („Zusammenfassung", 349-357) subsumiert die Ergebnisse der Arbeit noch einmal schlaglichtartig. Gering rehabilitiert Domitian und skizziert ihn als Traditionalisten und umsichtigen Realpolitiker. Nennenswerte Veränderungen zu den vorhergehenden principes kann er nicht ausmachen. Hauptorientierungspunkte für Domitian und sein Agieren sind Vespasian und Augustus. Der pessimus princeps ist wohl also konstruiertes Gegenbild zum optimus princeps Trajan zu verstehen.

Gerings Arbeit liefert ohne Zweifel einen guten Einstieg in das Themenfeld Domitian und gut lesbaren Überblick über die Domitian-Forschung der letzten Jahrzehnte. Der längsschnittartige Zugang zeigt interessante Kontinuitätslinien, die umso stärker die Frage nach den Ursprüngen des Bildes vom grausamen Tyrannen aufwerfen. Eine stärkere Einbeziehung der Inschriften statt der deutlichen Fokussierung auf die literarische Überlieferung hätte allerdings für die von Gering aufgeworfenen Fragen sicherlich hilfreich sein und zur Erarbeitung neuer Akzente beitragen können. Dennoch können Gerings Thesen sicherlich Anstöße zu weiteren Forschungen liefern.



Notes:


1.   Insbesondere Studierende werden sich über den chronologischen Überblick im Anhang freuen. Etwas gewöhnungsbedürftig ist dagegen die doppelte Hervorhebung lateinischer Termini durch Kursive und Anführungszeichen, die Verwendung unterschiedlicher Griechisch-Fonts, sowie einige eher unkonventionell gelöste Seitenlayouts (z.B. der Beginn von Hauptkapiteln auf einer linken / geraden Seite oder die Gestaltung von S.142). Die Seitenverweise im Index ist darüber hinaus häufig fehlerhaft, so z.B. die Einträge zu den Arvalbrüdern.
2.   Dieses Vorgehen ist im Rahmen der Osnabrücker Forschungen durchaus üblich (z.B. auch bei Dingmann, Pompeius magnus oder Matijevic, Marcus Antonius), es stellt sich für die Rezensentin allerdings immer die Frage nach der Zielgruppe dieser Abschnitte. Für den Fachwissenschaftler können sie wenig bis nichts Neues liefern, für Studierende oder mit der Materie (noch) nicht vertraute Personen wird so doch immerhin ein Überblick und Einstieg in die entsprechenden Problematiken geboten.
3.   Anders z.B. Quack, der insbesondere auf die Gestaltung des in domitianischer Zeit gestalteten Obelisken hinweist, der nicht nur die ‚Krönung' Domitians durch Isis zeigt, sondern den princeps auch als „von Isis geliebt" bezeichnet. F. Quack, Zum ägyptischen Ritual im Iseum Campense in Rom, in: Metzner-Nebelsick u.a. (Hrsg.), Rituale in der Vorgeschichte, Antike und Gegenwart. Studien zur Vorderasiatischen, Prähistorischen und Klassischen Archäologie, Ägyptologie, Alten Geschichte, Theologie und Religionswissenschaft. Interdisziplinäre Tagung vom 1.-2. Februar 2002 an der Freien Universität Berlin, IA-ASTK 4 (Rahden/Westf. 2003), 57-66.
4.   Vorbildlich werden die Erkenntnismöglichkeiten eines solches Vorgehens im Verbund-Projekt „Mediale Diskurse römischer Herrscherrepräsentation", Teilprojekt 3 „Die römischen Kaiser im Medium der Inschriften" demonstriert.

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