Saturday, September 12, 2009

2009.09.39

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Gruber on Billings on Gruber, Der Chor in den Tragödien des Aischylos. Response to BMCR 2009.08.47
Response by Markus A. Gruber, University of Regensburg

Für die ausführliche Rezension meines Buches über den Chor bei Aischylos möchte ich mich bei Joshua Billings bedanken. Jedoch sehe ich mich veranlasst, einige Bemerkungen zu einzelnen in der Rezension vorgebrachten Punkten zu machen.

Was zunächst die Eumeniden betrifft, so behaupte ich keineswegs, wie Billings meint, dass sich der Zuschauer mit dem Chor der Erinnyen einfach identifiziere. Vielmehr gehe ich von einem ständigen Wechsel der Zuschauerperspektive aus, der gerade im Affektiven durch das jeweilige Auftreten der Erinnyen hervorgerufen wird: Die befremdende Distanz kann abgelöst werden durch die Möglichkeit einer sympathetischen Annäherung, wenn auch dieser Chor vor Schmerz jammert und klagt (pp. 435, 472). Und sehr wohl anerkenne ich die "destructive force" der Erinnyen, die sich in ihrem Wesen nicht wandeln, und deren "blood-thirsty pursuit" Orests.

Eine ähnliche Dichotomie von Annäherung und Distanzierung auf der Zuschauerseite habe ich für den Chor der Hiketiden nachzuweisen versucht.

Zu einzelnen weiteren von Billings vorgebrachten Punkten:

3. Absatz: Den homerischen Apollon-Hymnos habe ich nicht als Exempel ("odd choice") für Chorlyrik gewählt, zu welcher Gattung er selbstverständlich nicht gehört, sondern als Quelle für die Chorkultur, ähnlich wie zuvor Platon oder Hesiod.

4. Absatz: Das πάθει μάθος verstehe ich nicht als Generalformel für das Verständnis aller sechs Tragödien des Aischylos.

5. Absatz: Billings Bedenken hinsichtlich der von mir angenommenen "prioritization" der rituellen Dimension des Chores gegenüber seiner Funktion als dramatis persona erscheinen mir zu allgemein formuliert, das heisst zu wenig spezifisch mit Blick auf Aischylos: Man liest hier durchweg nur "the chorus" -- dies klingt nach einer Beurteilung des Chores in allen erhaltenen griechischen Tragödien. Doch gilt es zu differenzieren: Bei Sophokles und Euripides tritt die rituelle Komponente zurück, der Chor fungiert hier überwiegend als dramatis persona. Aber für Aischylos, der direkt aus der archaischen Chorkultur hervorgeht und die rituelle Dimension anscheinend noch ganz unbekümmert anwendet und widerspiegelt, kann man doch mit einiger Zuversicht von anderen Voraussetzungen ausgehen.

Letzter Absatz (Formales): Die Nichtübersetzung von "concepts from foreign languages", das heisst deren Zitieren im Original -- ich nehme an, B. meint aischyleische Begriffe wie σωφρονε̂ιν -- ist in einer gräezistischen Dissertation üblich und für die Darstellungsweise grundsätzlich sicherer als eine Übersetzung, nicht zuletzt mit Blick auf einen fremdsprachigen Leser.

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